Prolog

 

Ein Mensch, der skeptisch und modern

empfindet sich, durchaus nicht gern,

geworfen in das Sein der Welt,

die an sich keinen Sinn enthält.

 

Heroisch will er Sinn ihr geben

Bedeutung, Richtung seinem Leben.

Solch Überforderung könnt ihn lähmen

Wär‘s da nicht besser, Sinn zu nehmen?

 

 

 1. Psychoanalyse

Es frisst gewaltig Geld und Zeit

durch Analyse à la Freud

auf der Neurose Grund zu sehn:

Gib acht! sonst wird sie iatrogen!

 

2. Verhaltenstherapie

Verhaltenstherapie dressiert

Klienten  –  ob das funktioniert?

Durchaus –  doch klappt´s bei solchen nur

die motiviert sind zur Dressur!

 

3. Nondirektives Verfahren

Sucht ein Klient bloß Zeitvertreib,

und döst entspannt sein Therapeut:

Verdient der seine Brötchen redlich?

Nein, Dösen ist mitunter schädlich.

 

4. Kombinationsmethode

Zwar fußt die Logotherapie

auf einer Höhenpsychologie.

Doch ist zur Kooperation bereit

sie gern –  sogar mit Pfarrer Kneipp.

 

5. Trotzmacht

Im Menschen sind der Sphären drei;

und bricht er drob auch schier entzwei:

er lässt  –  und zeigt dabei die Krallen  –

nicht alles sich von sich gefallen.                                       .

 

6. Credo

Wer Sinn erfüllt, verkraftet Frust,

und (wenn es sein muss) auch die Lust!

Doch wer auf Lust und Macht erpicht,

sich und die Welt zugrunde richt`t

 

7. Jagd nach Glück

Das Glück gleicht einem Schmetterling,

der fröhlich dir gewogen:

Greifst du danach, ist er dahin,

tot oder fortgeflogen.

 

8. Selbstüberschreitung

Ein Kind gibt sich dem Spiele hin

in selbstvergessnem Streben.

Tu es ihm gleich, erfülle Sinn,

um ganz als Mensch zu leben.

 

9. Sinnverwirklichung

Dein Gutes ist  –  soviel steht fest  –

mehr als das Böse, das du läßt.

Es stirbt als bloße Möglichkeit

wenn du´s nicht rettest in die Zeit!

 

10. Superiorität und Priorität

Was auch der Himmel dir beschieden:

Murr nicht, trag´s mit Geduld hinieden.

Im Fall von Wanzenplage aber,

da schreite ein als homo faber.

 

11. homo patiens

Gequält, verstört, verkrampft in sich,

stöhnt er: „Wieso gerade ich ??“

Das Schicksal schweigt. Doch kann dem Leben

er selbst die tapfere Antwort geben.

 

12. Warum und wozu

Du leidest auch? weißt kein „Warum“?

Alls zu durchschaun sind wir zu dumm.

Dies Rätsel bleibt  –  verwandle du

die Frage kühn in ein „Wozu“.

 

13. homo amans

Der homo amans, der meint dich;

der Playboy aber liebt nur sich.

Und dieser kleine Unterschied

ist wichtiger als ein großes Glied.

 

14. Entscheidungsproblem

Voll Sinn wär oftmals ein Verzicht,

doch angenehm, das ist er nicht.

Wer nun sich weigert, zu entscheiden,

muss gleichwohl, aber sinnlos, leiden.

 

15. Schicksal und Freiraum

Ein Jünger Frankls mutig spricht:

Nein, meinen Sinn verfehl´ ich nicht!

Bringt mir das Schicksal Ungemach,

dann geb´ ich halt ein bisschen nach.

Bleibt mir im Freiraum meine Wahl,

drück´ ich mich nicht vor ihrer Qual …

Könnt´ ich bloß immer zwischen beiden

(ob Schicksal, Freiraum) unterscheiden!

 

16. Reduktionismus

Ein Mensch, der heimlich sich geniert,

hat Schuld „hinunter“ projiziert.

Da liegt nun Schicksal, schön gebündelt;

wo ist die Freiheit ? Weggeschwindelt!

 

17. Traumdeutung

Es scheut der Logotherapeut

das Traumbuch von Professor Freud.

Lasst ihn, anstatt zu spekulieren,

die Tagesreste ignorieren,

 

18. Lustgewinn

Seit Sigmund Freud uns hat bewusst

gemacht den Stellenwert der Lust,

sucht der und jener, teils verstohlen,

soviel wie möglich nachzuholen.

Doch ach: je mehr er drauf besteht,

ihm umso mehr die Lust vergeht!

Solch Fingerzeig weist darauf hin:

bloß Lust allein macht keinen Sinn.

 

19. Emanzipation

Ein Mensch, der lange unterdrückt,

hat endlich doch ein Schwert gezückt,

und dann nach harter, bitterer Schlacht

besiegt die ungerechte Macht.

Doch kaum befreit, hat er entdeckt,

wie süß die Macht ihm selber schmeckt.

Davon ist er so sehr entzückt,

dass er nun andere unterdrückt.

 

20. Paradoxe Intention

Die paradoxe Intention

ahnt` Otto Julius Bierbaum schon.

Er hat als Beitrag eingebracht:

„Humor ist, wenn man trotzdem lacht“.

 

21. Dereflexion

Wer Sorgen hyperreflektiert,

merkt, wie sein Ernst zu tierisch wird.

Erheb den Blick, dann siehst du richtig:

das bisschen Ich ist nicht so wichtig!

 

22. Einstellungsmanipulation

Beim Psychiater fand sich ein

ein Mensch, der nicht ganz stubenrein.

Dort ward er zwar nicht auskuriert,

dafür sein „feeling“ moduliert.

Die Hose wird noch immer naß  –

doch immerhin: jetzt macht´s ihm Spaß.

 

23. Bedürfnispyramide

Lasst uns erst opulent dinieren  –

danach ist Zeit zum Philosophieren!

Ein Philosoph mit leerem Magen

hat aber oftmals mehr zu sagen!

 

24. Noodynamik

Erst Dy-Streß, und dann Zeitvertreib?

So schaffst du dir nur unnütz Leid!

Erfüll mit Eu-Streß deinen Sinn

und leg dich dann ein bisschen hin.

 

25. Neuro-Fatalismus

„Nie werd ich meines Schicksals froh!

Ich kann nicht anders, bin halt so!“

Ein solcher Mensch, der unfrei scheint,

ist bloß ein Geist, der schlicht verneint:

Will nicht auf seinem Boden stehn,

erst recht nicht darauf weiter gehn.

Sein Schicksal hält er für besiegelt  –

wo er den Kerker selbst verriegelt!

 

26. Verwandlung

Von Erbe, Umwelt, schien geprägt,

ein Mensch, der kaum sich mehr bewegt.

Er hat zur Änderung keine Lust;

die Freiheit ist ihm nicht bewusst.

Doch sieh! Auf einmal leuchtet Sinn,

weckt Intentionen, die ihn ziehn  –

und plötzlich fliegt aus dem Kokon

ein prächtiger Falter stolz davon.

 

27. Sinnverfehlung

Den Schmerz zu Lust macht voller List,                          –

doch bar von Sinn, der Masochist.

Nur eins erklärt solch düsteren Drang:

ihn traf sein eigener „Bumerang“.

 

28. Warnung an den Hysteriker

Nicht einmal Glück lässt sich erringen

und du willst Liebe dir erzwingen?

Da stirbt sie unter großer Pein,

kann niemals ohne Freiheit sein.

 

29. Gewissen, Maß und Sinn

Zuviel ist nun einmal zuviel,

selbst wenn’s nicht jeder hören will.

Zuviel des Guten wird dann schlecht.

Nicht  allen kann man’s machen recht.

Und ebenso sicher sollte gelten:

Zu selten ist halt doch zu selten.

Das Was, Wieviel, Wieoft zeigt an

Gewissen, unser Sinn-Organ.

 

30. Das Opferlamm

Ein Opferlamm hat ungeniert

mit Opfern den Gemahl traktiert;

und dieser ließ mit leisem Stöhnen,

sich gnädigst, aber doch, verwöhnen.

 

Weil Undank ist der Welten Lohn,

stahl sich der Pascha bald davon;

wiewohl der Gattin Huld noch troff,

macht` einer anderen er den Hof.

 

Als es erfuhr von dieser Schmach,

das Opferlamm zusammenbrach.

Zu Hilfe kam ein Therapeut

und hat ihr folgendes eingebläut:

 

Dein Ich muss viel, viel wicht‘ger sein!

Vergiss dein Ja, trainier dein Nein!

Indes  –  viel ist da nicht zu hoffen;

des Pudels Kern ward nicht getroffen.

 

31. Konfliktbewältigung

Zurzeit sieht man ein wenig streiten

zwei Schulen Logotherapeuten.

Wär´ nicht so tragisch, gäb´ es nur

auf beiden Seiten Streitkultur.

 

Wer sie beim anderen vermisst,

bedenke, dass dies Schicksal ist:

so sende er womöglich „plus“,

bis dass die Zeit entscheiden muss.

 

 

Widmung

 

Es hat gezeigt uns reichen Sinn

Frau Lukas, unsere Meisterin.

Konnt meisterhaft uns motivieren,

ein Stück uns selbst zu transzendieren.

Wenn auch ihr Lehrgang bald erledigt,

er sei geborgen und verewigt

nicht in Vergangenheit allein:

soll Brücke uns zum Logos sein!

 

 

 

 

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