Sag klar: ja, ja – und sonst: nein, nein!
Teils-teils soll ausgespien sein,
sprach Gott im Alten Testament,
der, wie es scheint, Pardon nicht kennt.
Selbst Jesus distanziert sich laut
vom Jünger, der nach rückwärts schaut.
Kein wankelmütig-feiger Christ
des großen Meisters würdig ist.
So enge Wahl stets dann entsteht,
wenn’s um konträre Pole geht,
wo man die Qual hat zu entscheiden
sich für nur einen dieser beiden.
Wer zwischen allen Stühlen sitzt
hat keinen Mittelweg benützt.
Auch hält ein fauler Friede nie,
ist eher Schuss ins eigne Knie.
Doch wie sieht volle Wahrheit aus?
Läuft sie auf ähnliches hinaus?
Ist sie binär durchprogrammiert?
Gut überschaubar? Kompliziert?
Suchst hier du einen Kompromiss,
dann frag‘ als erstes: hast du Schiss?
Vielleicht fiel Hegel drauf herein,
ließ Preußens König „Weltgeist“ sein.
Wenn solche Art Motiv sie treibt,
Vernunft wohl kaum erhalten bleibt.
Da degeneriert sie sichtlich schon
zu Feuerbach‘scher Projektion.
Hält Wunsch gefesselt den Gedanken,
kommt Wahrheit ziemlich bald abhanden.
Fließt also „kalt“ Erkenntnis nur?
Kommt „wertfrei“ man auf Gottes Spur?
Es stimmt, oft haben Ideologen
mit halber Wahrheit uns betrogen;
und sind bei dieser Schwindelei
mitnichten interessenfrei.
Hat wahres Denken keinen Grund?
Klingt unwahrscheinlich, solch Befund.
Doch muss der Grund wohl ganz allein
ein liebend „Ja!“ zur Wahrheit sein.
Darum hat Goethe gut erkannt:
Wer starrt auf Böses wie gebannt,
als Geist, der immer nur verneint,
die Gegensätze nie vereint.
Am wenigsten glaubt wohl der Christ,
dass Gott selbst emotionslos ist.
Der höchste Geist ist Lieb zugleich;
Hass ist des Teufels finstres Reich.
„Die Wahrheit ist nicht tolerant“?
Doch ist sie keinem voll bekannt!
Deshalb, o Mensch, bestehe nicht
fanatisch bloß auf deiner Sicht.
Wie Gordon Allport hat gesagt:
Es ziemt uns folgender „Spagat“:
Wir sollen, im Gewissen rein,
voll engagiert, halb sicher sein.
So setz dich ein für deinen Teil,
erwart davon nicht alles Heil.
Lass andere auch anders denken –
und hüt dich, sie dafür zu henken.